Der eigene Wunsch nach Originalität spiegelt sich auch in unserem Geschichtsverständnis wider. Man blickt auf große Philosophen oder Erfinder zurück und fragt sich, wie sie es schaffen konnten, diesen einen genialen Gedanken zu haben, wie konnten sie ihre Zeit dafür überwinden. Aber der Trick ist: Sie sind nicht aus ihrer Zeit herausgetreten, ihre Zeit ist hinter ihnen zurückgetreten. All die anderen, die ähnlich dachten, ähnlich schrieben, ähnlich forschten, mussten erst vergessen werden. Ihre tausend Triebe mussten erst entfernt werden, um in der Kraft des einen starken Asts überliefert werden zu können. So geschehen beispielweise bei Nietzsche: Er fasste nur die verschiedenen Strömungen seiner Zeit zusammen, tat das aber mit einer Wortgewalt, die ihn erinnerungs- und überhöhungswert machte.
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