Das Klatschen ist zu einer künstlerverachtenden Perversion verkommen. Früher gab man Applaus, heute klatscht man nur noch. Früher zollte man Respekt nach einer künstlerischen Leistung, heute ist die Leistung nur noch Mittel, um endlich seinen eigenen Teil dazugeben zu können. Klatschen ist Selbstverwirklichung eines passiven Publikums, das keinen anderen gültigen Beitrag zu ihrer Abendunterhaltung mehr kennt.
Im motorischen Massenreflex “Klatschen” erstickt es jedes noch so kleine Gefühl, jeden noch so kleinen Gedanken. Therapeuten nutzen das Klatschen oft, um die Patienten aus ihren Gedankenspiralen zu reißen. Klatschen ist eine traditionelle Massentherapie. Was sollte man auch anderes nach einem Stück machen? Was sollte man auch nach einer feinen und filigranen Darbietung anderes machen, als im letzten verklingenden Ton, seine grobschlächtigen Hände gegeneinander zu schlagen?
Ich glaubte immer, Musik bräuchte Luft zum Atmen, auch jenseits ihres Klangs. Stille. Seelischen Nachhall. Aber es gibt immer einen, der den angehaltenen Atem der Stille, der die innere Resonanz – wohl aus Angst, in ihm könnte es nicht klingen – nicht ertragen kann. Er raubt allen anderen die Möglichkeit, ihre eigene Gestimmtheit zu erahnen. Dann ist Klatschen. Zugabe. Klatschen. Ende. Keine Gefühle mehr, nach dem bedingungslos begeisterten Beifall ist alles nur noch Sprache.
Es ist heute schon ein Novum, eine großartige Leistung, wenn ein Künstler es schafft, das Aufeinanderklatschen der Mobhände für Sekunden zu verzögern. Das geht meist nur noch über Irritation und Verstörung. Das Klatschen hat das Ruhige, das Langsame zum Feind des Nachdenkens gemacht. Es ist nicht mehr salonfähig.
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