Jan Delay spielt kurz vor Mitternacht auf der Hauptbühne. Nicht sonderlich interessant, aber dafür umso voller. Da das ganze Festival auf einem ehemaligen Hangar stattfand, konnte man auch auf den begrünten Hügel der Haupbühne klettern. Es ist ein wunderbares Gefühl, all diese Menschen unter sich zu sehen (wie muss sich der Papst erst fühlen – immerhin tanzen die nicht). Ich saß direkt am äußersten Rand, hatte gerade meinen Nachbarn kennengelernt (Miguel), als ein Mädchen von hinten kommt und durch will. Sie beugt sich über den Abgrund, uns wird mulmig, ich greife ihre Hose am Bund und halte sie fest. Sie sagt: “Gut so, haltet mich fest.” Wir wollen sie zurückhalten, aber sie will unbedingt etwas werfen. Was können wir nicht erkennen. Aber sie murmelt als Begründung “weil der so einen Scheiß über Deutschland erzählt.” Sie beugt sich extrem über den Rand und wirft auf Jan Delay. Aber wahrscheinlich ist das am Licht oder anderen Hindernissen abgeprallt. Sie war trotzdem zufrieden und zog sich zurück.
Was Jan Delay gesagt hatte, ist nicht klar, aber wahrscheinlich sowas wie: “Wir werden Weltmeister.” War halt nach dem Deutschland-Spiel. Ein Freund war nach dem Spiel so euphorisiert, dass er auf dem Rückweg allen Leuten aus dem Auto “Schland” entgegenschrie. Schland ist offensichtlich das kürzere und schönere Wort für endlos lange Deutschland. Es zeigt Respekt, hat aber auch die Selbstironie, die viele beim Rufen von “Deutschland” für angebracht halten. Es ist die Nationalismus-Version für Linke und Junge.
[…] fünf Jahren schrieb ich sogar drei Einträge darüber: Über die Anfahrt mit abfallendem Auspuff, über den damals neuen eher linken Begriff Schland und über allgemeine Erfahrungen (Dixies, Druffies und Essgewohnheiten). Nach fünf Jahren Pause […]