Es ist schon bemerkenswert, wie sich der erzählerische Wert einer Geschichte durch Negativität steigert. Meine Erfahrung: Je schrecklicher die erlebte Geschichte, desto besser die erzählte Geschichte. Vielleicht liegt dies aber auch in der Erzählform selbst begründet, eine Geschichte lebt nur durch Spannung, durch Fallhöhe, durch Pointen – also durch das fein austarierte Spiel von Erwartungen und Enttäuschungen, von Flug und Fall.
Eine einzelne Erfahrung, ein kleines Glücks-Gefühl kann dies nicht leisten. Es zu beschreiben, es dem Zuhörer auch nur ansatzweise über den Umweg der Worte fühlen zu lassen, würde weitaus mehr Zeit erfordern, als eine lange, spannungsreiche Geschichte zu erzählen. Es ist der Versuch, einem Blinden die Weite des Meeres zu zeigen.
Spannung ist simpel. Die Wege sind vorgezeichnet, vorgetrampelt. Man rast darauf von Erzählenswürdigkeit zu Erzählenswürdigkeit. Man schichtet mit Worten Treppen für den Zuhörer, nur um sie mit dem nächsten Satz wegzublasen, man erschafft aus Sprungbrettern Galgen und haucht sich durch ein einziges Wort vom Strick.
Kurzum: Man erzählt nur an der Oberfläche, erzählt nur den sichtbaren Sturm, den Wellengang, das Tosen und Brodeln des Meeres, erzählt das Vorstellbare, das Bekannte, das Negative. Es ist wie ein Puzzle, dessen ewiggleiche Teile immer wieder neu angeordnet werden und immer wieder ein neues Bild ergeben.
Aber was unter der stürmischen Oberfläche ist, bleibt verborgen, die Ruhe und Vielfalt, das Eigene, das Besondere. Das, wofür man überhaupt erst einmal Worte und Entsprechung in sich selbst finden muss, um dann eine Ahnung im Anderen wecken zu können. Es ist wie ein Puzzle, bei dem man mit den ureigenen Wortteilen das eigene Bild und zugleich das Bild des Anderen legen soll.
Früher glaubte ich, dass die Sprache dafür ideal sei. Sie berge immer genau jene Tiefe, die der Moment benötigt. Flach im Allgemeinen, tief im Besonderen. Man müsse sich nur die Zeit nehmen, dann könne man über Worte alles, und letztendlich auch sich vermitteln. Das war eine schöne Vorstellung.
Aber man wird sprachmüde. Man läuft lieber auf den Trampelpfaden der Spannung als durch die Minen der eigenen Erfahrung.
warum denn nur entweder oder und nicht sowohl als auch ? es gibt gl?nzende beispiele der verkn?pfung einer interessanten erz?hlung mit emotionaler tiefe – wobei diese nat?rlich auch immer im auge des betrachters liegt – hugo, stendhal, hesse oder feuchtwanger sind solche f?lle f?r die geniale verkn?pfung von sinn und form – joyce und musil ersticken jeden sinn durch form
Ist Dein Urlaub wirklich so schlimm?
Du willst mir doch nicht erz?hlen, dass die oben Genannten in meinem Sinne spannend erz?hlen. Sie spiegeln wohl eher seelische Spannungen wider.
Leider bin ich sozialisationsbedingt ein Fan des Entweder-Oder.