Aus aktuellem Anlass mal ein wenig Medientheorie: Hier nun die Theorie des “Issue Attention Cycle” von Anthony Downs.
Downs unterscheidet die Behandlung von öffentlichen Streitfragen in fünf verschiedene Stadien. Die meisten sind recht einleuchtend, aber die 2. und 3. sind interessant:
1. Pre-Problem-Stage: Das Problem ist nur Experten bekannt und meist sogar noch schlimmer, als zu dem Zeitpunkt zu dem es mediale Aufmerksamkeit erhält. (Hier stellt sich die Frage des Zusammenhangs von Medien und Realität.)
2. Alarmierende Entdeckung und Euphorischer Enthusiasmus: Die Medien werden aufmerksam und problematisieren in der ihnen eigenen Art. Zugleich überbewerten sie in ihrer Euphorie die gesellschaftliche Lösungsfähigkeit.
3. Gewahrwerden der Kosten für einen wirklichen Fortschritt: Die Medien (und damit auch die Bevölkerung) erkennen, dass das Problem nicht innerhalb ihres kurzfristigen Aufmerksamkeitshorizonts gelöst werden kann. Bei Umweltfragen (Downs eigentliches Thema) stellen die Medien zusätzlich fest, dass Teile des Problems aus Zuständen resultieren, von denen Millionen von Menschen profitieren. Zum Beispiel bei Feinstaub (Mobilität) oder Gammelfelisch (billiges Fleisch).
4. Stufenweise Verringerung des Interesses: Wenn sie die Kosten zur Lösung realisieren, fühlen sich die Menschen entweder entmutigt, bedroht oder gelangweilt. Die mediale Aufmerksamkeit wird geringer.
5. Post-Problem-Stage: Die meisten Themen erreichen dieses Stadium gar nicht. Die Berichterstattung stirbt eher ab, als dass sie langsam ausläuft. Aber es gibt immerhin ein verändertes Verhältnis zu dem Thema in der Bevölkerung.
Wenn eine Streitfrage Stufe 4 erreicht, befindet sich meist bereits ein anderes Thema im Übergang zu Stufe 2, also kurz vor der Aufregungsphase. Die Wirksamkeit des Zyklus’ muss natürlich nach Themen differenziert werden. Er gilt besonders für neue Themen, die keine Vorgeschichte mitbringen. Bei alten Themen werden einfach die alten Deutungen und Routinen aktualisiert. Aber dazu später mehr.
Ob sich aus diesem Zyklus politische Konsequenzen ergeben, ist fraglich. In nahezu jeder Streitfrage müssen natürlich Schuldige und Maßnahmen benannt werden, aber diese Aussagen finden fast nur auf der Ebene der symbolischen Agenda der Politiker statt und landen nicht auf deren Handlungsagenda. (Unterscheidung nach Cobb und Elder) Nach einer Wahl – wie der brandenburgischen – gegen Rechtsextremismus zu sprechen ist nur symbolisch, jede wirkliche Handlungsinitiative wäre für Politiker zu zeit- und ksotenintensiv. Es gibt auch zu viele, zu komplexe Themen, zu denen Politiker handeln müssten. Da ist Äußern einfacher. Und so schließen sie mit ihrem (medialen) Verhalten auch den oben skizzierten Issue-Attention-Cycle.
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