Ich habe nie gewagt über Angst zu schreiben. Und doch passierte es, dass ich von einer vormals „reichlich rohen Person“ gespiegelt wurde. Sie schrieb eine sehr schöne Antwort auf meine früheren Gedanken.
Die Schwere der Leichtigkeit
Grundlegend festgehalten, ist Angst ein sehr natürlicher Schutzmechanismus, der uns Menschen vor lebensgefährlichen Situationen und Reaktionen schützt. Wir leben heute in einer Zeit, in der wir nicht mehr großen Gefährdungen ausgesetzt sind, außer uns selbst. Die Gefahr kommt von anderen Menschen und von uns selbst. Wie vieles in der Evolution und der Gesellschaft, hat sich auch die Angst emanzipiert. Warum aufschreien, wenn das ICH Hunger hat – der nächste Supermarkt ist nicht weit. Warum aufschreien, wenn ICH auf der Straße Fremden begegnet – sie sind in der Regel auch satt. Warum aufschreien, wenn ICH einen Schmerz verspürt – die Medizin heilt alles. Warum aufschreien, wenn ICH ins Dunkel geht – mittlerweile sind selbst Wälder beleuchtet. Die Angst lief Gefahr arbeitslos zu werden.
Es ist nun nicht mehr die Angst vor Hunger, Schmerz oder den Gefahren der Dunkelheit. Es ist die Einsamkeit unter Menschen, es ist der Druck, unauffällig aber doch mit gestärktem Kreuz in der Masse mit zu schwimmen, es sind die eigenen Erwartungen an sich selbst, die doch nur von Anderen suggeriert werden. Aber nicht genug dem Kampf um soziale Akzeptanz, Integrität oder Distanz. Die Angst ist kreativ geworden. Wenn ICH einmal im Wust der Ansprüche schwimmt, so trägt ein Telefonat, der Kauf eines Croissant, ein trauriges Gesicht eines Freundes, das Ausbleiben eines anerkennenden Lächelns, das morgendliche Anheben der Bettdecke, viele kleine, eigentlich liebliche Dinge, die leidliche Schwere des ganzen Lebens. Die mühsam konstruierte Hülle um ICH, ist zerbrechlich wie ein Eiskristall unter der Sohle eines blinden Sehenden. Es genügt die Bewegung nur eines Gemütes, nur einer anderen Seele, die konzentriert den eigenen Kristall trägt, um ICH zu entblößen. Der bloße Gedanke an die Nähe eines Anderen, der bloße Gedanke an die eigene Enthüllung, der bloße Gedanke, der eigenen Seele das Leben zu zeigen, offenbart die Meisterkreation der Angst. Man spricht von der Angst vor der Angst.
Ich behaupte, es ist die Angst vor dem ICH. Die Angst, sich selbst zu sehen und nach den ureigenen Regeln zu existieren, sich selbst zu fühlen und mit sich selbst in Ehrfurcht und Vertrauen und Ehrlichkeit umzugehen. Wir nehmen uns viel Zeit, über uns selbst nach zu denken. Darüber haben wir leider vergessen, in uns rein zu fühlen, gut mit uns zu sein. Würden wir unser ICH fühlen können, würde ein alter Spruch seine Wahrheit verlieren: man müsse da hin, wo die Angst sitzt. Lebt man sein Leben mit sich, ist man nie alleine, da man das Herz für andere öffnen kann. Man steht zu dem was man denkt, was man tut, was man fühlt. Die Angst, die zurück bleibt, ist wieder die Angst vor Dingen, vor denen man auch weg laufen sollte, da sie warnen. Es ist nicht mehr schwierig auf Türme zu steigen, da es keine Höhenangst mehr gibt. Die Angst ist schlicht die Herausforderung neues Leben zu entdecken, das Leben, das täglich vor unserer Tür ist und nur darauf wartet, entdeckt zu werden.
Nicht das Schwere ist das Gute, es ist die Leichtigkeit, die uns fliegen lässt. Denn es ist viel schwerer in Leichtigkeit zu leben. Es fordert Rückrat, es fordert Rücksicht, es fordert Seele. Höchstes Ziel im Leben sollte daher sein, die Dinge zu vereinfachen. Es gibt Menschen, die Worte, die einfach und floskelhaft gehalten sind, als unbedeutend abtun, zumindest aber abtun. Ist es etwa die Angst, es könnte so einfach sein, und all die Zeit der Hinterfragung vergeudet? Es gibt auch Menschen, die neugierig genug sind heraus zu finden, wie es sich für sie mit der Leichtigkeit und der Schwere verhält. Für die gibt es einfache Wege es heraus zu finden. Aller Anfang ist, die Fähigkeit zu entstauben, anderes Leben zu erfahren. Wer es schafft, einen Baum beispielsweise zu erkennen und verstehen, hat auch ein Stück sich selbst gefunden. Wie das geht? Es ist ganz einfach. Man braucht nur Geduld … Mut … und ein lauschendes Herz …
„Es ist nicht mehr schwierig auf T?rme zu steigen, da es keine H?henangst mehr gibt.“ – Wer hat Dir das denn gefl?stert? Es gibt verdammt viele Menschen mit H?henangst (oder Platzangst, Spinnenphobie…) – mich zu ersterer Gruppe hizugerechnet.
Denn je „leichter“ (iSv weniger direkte Gefahren als zu Angfangszeiten des Menschen), also abgesicherter das Leben ist, desto komplexer das Ringsherum. In dem Moment hast Du recht, wenn Du davon sprichst, dass die Angst sich folglich Objekte (im weitesten Sinne) s u c h t, auf die sie sich proijzieren l?sst. Denn – andersherum gedacht – jeder Instinkt braucht eine „Rechtfertigung“ f?r seine Existenz. H?henangst hingegen ist eine Angst, die immer da war und auch heute noch – breechtigterweise – existiert. Denn die Funktion einer Angst ist immer die, Leben zu erhalten – hier also, vor einer H?he, von der man hinabst?rzen und dabei zu Tode kommen k?nnte, zu warnen und dem Menschen zu signalisieren, sich davon fernzuhalten. Diese Angst ist eine uralte und hat nichts mit der Verschiebung zu tun, die Du in Deinem Text beschreibst.
Ich glaube es ging genau darum, der Angst wieder genau diesen (urspr?nglichen) Sinn zu geben und sie nicht st?ndig das Leben durchforsten zu lassen, auf der Suche nach neuen F?rchtbarkeiten.
Schon klar :o)
Meine „Kritik“ richtete sich eher auf Dein Postualt, H?henangst g?be es nicht mehr – was einfach nicht stimmt. Galubs mir einfach ;o)