Neulich habe ich zufällig den Viel-Oscargewinner „The Hurt Locker“ gesehen. Er bekam unter anderem den Oscar als bester Film, für die beste Regie und das beste Drehbuch. Er wurde auch von den meisten Kritikern hierzulande als bester Film des Jahres gefeiert, ja gar als „Konsensfilm“ bezeichnet. Ich habe allerdings wieder einmal ein Sondervotum zu bieten.
Es geht diesmal weniger um eine Stilkritik, als um eine inhaltliche Kritik. Wer den Film noch sehen möchte, sollte an dieser Stelle zu lesen aufhören.
Ich fand den Film spannend, weil er eine Realität zeigen will, die ich so aus den Medien noch nicht kannte (die allerdings stark an die Optik vieler Videospiele erinnert hat). Nämlich die der Amerikaner im Irak. Klar strukturierte Story: Der Chef einer Bombenentschärfertruppe wird am Anfang bei einem Einsatz getötet. Er war ordentlich, hat auf Regeln und Sicherheit geachtet. Im Gegensatz dazu ist der neue Chef ein unkonventioneller cowboy-mäßiger Draufgänger. Das führt verständlicherweise zu Problemen. Aber es ist auch ein Lehrstück für den Cowboy. Er beginnt zu spüren, dass das ganze kein Spiel ist. Denkt man. Doch dann kommt das Ende. Es hat aus meiner Sicht den ganzen Film auf den Kopf gestellt, alles vorherige der Absurdität preisgegeben. Es geht so: Nachdem der Einsatz vorbei ist, kommt der Cowboy wieder nach Hause zu seiner Familie. Aber er kann sich dort nicht einfinden. Sehr schön symbolisiert in einer Szene, in der er vor einem riesigen Regal mit Cornflakes steht und eine Packung aussuchen soll. Dann eine Szene mit seinem etwa einjährigen Kind. Er sagt sinngemäß:“Du liebst noch soviel. Aber je älter du wirst, desto weniger wirst du lieben. Ich habe nur noch eine Sache, die ich liebe.“ Schnitt. Man sieht ihn mit einem Flugzeug im Irak ankommen. Schnitt. Er läuft im Bombenentschärfer-Anzug die Straße hinab in den Sonnenuntergang. Ende.
Das ist das Ende! Was ist das für ein glorifizierender, den ganzen Film verleugnender Abgang? Hätte der Film sich nicht ein echtes Ende leisten können: Tod bei einer Explosion? Stattdessen darf der Held in den Sonnenuntergang marschieren. Also: Ja, es gibt sie noch, die amerikanischen Helden, die einfach ihren Dienst tun. Krieg ist nur ein Spiel, bei dem man sich selbst etwas beweisen kann, was man früher vielleicht im Wilden Westen getan hätte. In der wohl emotionalsten Szene des (Männer-)Films fragt sein Kollege den Cowboy, nachdem einem Anderen gerade aufgrund einer überstürzten Macher-Aktion des Cowboys das Knie zertrümmert wurde, wie er das alles aushalten könne mit der ständigen Gefahr beim Bombenentschärfen. Er antwortet in bester Cowboy-Manier: Ich denke nicht drüber nach.
Was kann es bedeuten, wenn ein Film eine solche Gestalt als Helden feiert? Einen Helden, der nichts mehr anderes hat und nichts mehr anderes machen kann? Ist es vielleicht ein nihilistischer Film, der zeigen will: So werden Menschen durch Krieg, das sind die Helden, die wir im Irak erzeugen. Gedankenlose Draufgänger-Typen, die den Kontakt zu ihrer Heimat (und zu sich selbst) verloren haben – die modernen Söldner. Das wäre möglich gewesen, aber der Film schafft keine Distanz zu seinem Helden, sondern nur pure Identifikation. Der Film ist nicht ironisch gemeint. Es ist der Regisseurin ernst mit dem Cowboy-Ende, das merkt man auch an der terminatorähnlichen Musik.
Schwierig ist auch das Verhältnis des Films zum Irak. Es ist natürlich ein amerikanischer Film. Dementsprechend werden die Amerikaner hier als angefeindete und ständig bedrohte Opfer dargestellt. Sie müssen in einer feindlichen Umgebung überleben, jeder könnte sie umbringen, überall lauert Gefahr. Man könnte fast Mitleid haben. Dass man sich selbst in diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gestürzt hat und dem irakischen Volk statt der vielgepriesenen Demokratie viel Leid und die innere Zerrissenheit eines Vielvölkerstaats gebracht hat, wird nicht thematisiert. Iraker sind nur Statisten oder bösartige Bombenleger. Der Film schert sich nicht um die irakische Wirklichkeit. Er ist nur eine Selbstbeweihräucherung des amerikanischen Soldatenelends im Irak. Er ist eine Aussage im inneramerikanischen Kampf um die Deutungshoheit über den Krieg. Er sagt, zumindest bis kurz vor Ende: Es geht unseren Jungs nicht gut dort. Sie erleben Dinge, die sie gar nicht verkraften können. Dann kommt das Ende und das sagt: So wie Cowboys und echte Männer stehen wir das durch. Es macht uns doch Spaß und wir haben keinen anderen Lebensinhalt mehr.
Eigentlich sehr bezeichnend, dass dieser Film so viele Oscars gewonnen hat.
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