Die meisten Menschen bauen sich rationale Brücken über ihre emotionalen Abgründe.
Anfangs sind es nur unsichere Seile, die voll Verzweiflung und Hast aus den nächstbesten Gedanken geknüpft wurden. Lediglich der Glaube an das rettende Gefühl auf der anderen Seite spannt sie fester und lässt einen über all diese Abgründe wandeln – voller Nebel, voller Schwärze, voller unbegreiflicher Tiefe.
Aber man wird hinabstürzen, man wird fallen. Und dann wird man die Augen schließen und sich mit aller Kraft auf das Seil denken. Und wenn man Pech oder Glück hat, wird es funktionieren. Dann wird das Seil fester geknüpft sein – aus all den augenschließenden, rettenden Gedanken. Man wird seltener fallen, das Seil wird eine Straße, wird immer breiter, vielleicht ein kleines Dorf über dem Abgrund, mit Häusern voller Alltag, voller Erinnerungen. Die Tiefe wird veröden, wird sich langweilen. Ab und zu schnappt sie noch nach einem, aber man schiebt sie mit einem abwesenden Lächeln fort, wie einen bösen Traum nach dem Aufwachen.
Wann hast Du das geträumt?
und was soll das eigentlich heißen? Daß sich die Menschen bewußt dafür entscheiden, sich rational über emotionale Abgründe zu hangeln? Und daß ein rationaler Selbstbetrug einer emotional schwierigen Konfrontation vorzuziehen ist bzw. überhaupt möglich on the long run?
Ein Fall für „freies Psychologisieren“.
Ich habe extra eine Wertung ausgespart, weil mir das zu einfach erschien. Ich hätte natürlich das, was ich (noch) ständig mache, nämlich hinabzustürzen und die Abgründe auszuloten, als das einzig Wahre darstellen können. Irgendwie glaube ich auch, dass es die bessere, die ehrlichere Variante ist.
Aber dann konnte ich das andere nicht so abwerten. Ich glaube, es bietet sich oft einfach an, dann nimmt man es auch an. Ob es bewusst passiert, weiß ich nicht.
Ich konnte dem ganzen auch kein wirkliches Ende geben, stattdessen habe ich das Ende dann in die Überschrift gepackt: Das Glücklichsein.
naja, ich glaub das nicht.
ohne Deine Wertung kriegt das so die typischen Soziologenambivalenz.
Das hat nichts mit Soziologenambivalenz zu tun. Das ist eher so eine typische Facette deutscher Musik, ich stocher mal ein wenig im Lyrischen rum, aber dann habe ich doch keine Lust, das alles zu einem vernünftigen Ende zu bringen. Alle Metaphern nach Hause zu führen und nicht wieder einige unterwegs zu verlieren. (Sowas zum Beispiel.)
Klingt jetzt vllt. etwas sehr grobschlächtig, vor allem bei der literarischen und philosophischen Fallhöhe hier bei klingsors Letzter, aber irgendwann hab ich folgenden Spruch aufgeschnappt: „Wer sich nichts vormacht, hat auch oft nichts mehr vor sich.“.
Irgendwie begleitet mich dieser Ausspruch nun schon eine ganze Weile. Ich finde er hat eine sehr häßliche Seite, aber irgendwo is da auch was dran. Sich als Individuum immer wieder in Abgründe ziehen zu lassen oder freiwillig hineinzustürzen ist sicher ehrlich, aber auf Dauer nunmal auch sehr mühsam. Außerdem halten einen Stürze in das Abgründige davon ab seinen Weg zu gehen. Jedesmal muss man mühsam aus dem Loch klettern und sich dann eventuell auch neu orientieren. Individuelle selbstgesteckte Ziele sind so nur beschwerlich zu erreichen.
Die Frage die es in diesem Kontext zu beantworten gilt ist aber vllt. zunächst welche Ziele man verfolgt, unter Umständen ist ja auch der Weg das Ziel. Dann sind Abgründe natürlich interessant und stetige Neuorientierung ist ja auch was spannendes. Und insofern „sich was vormachen“ nicht in eine Lebenslüge ausartet und einen dabei hilft auf dem Weg zum wie auch immer gearteten Glück, kann ich auch da nichts Falsches dran sehen.
Tja, wer könnte das entscheiden, was eine Lebenslüge ist. Ist es denn sinnvoll, jemanden mit den Vorstellungen seiner Vergangenheit zu konfrontieren und auf diesem Wege eine Lebenslüge zu enttarnen? Wem hilft das? Sollte man so relativistisch sein und sagen: „Solange derjenige daran nicht leidet, ist es nicht schlimm“? Oder geht es nach dem merkwürdigen, apodiktischen Spruch: „Jeder muss sein Leben ganz leben.“
Man sollte wahrscheinlich am ehesten versuchen, sich Wertungen zu ersparen. Auch wenn man selbst in seinem Selbstentwurf von anderen gewertet wird. In der Wertung spiegelt sich ja immer auch der eigene Selbstentwurf und letzten Endes die Angst, dass er falsch sein könnte, wenn man ihm im Zerrspiegel eines konträren Entwurfs betrachtet.