Es gibt eine Sache, die ich in letzter Zeit gelernt habe: Was wirklich unglücklich macht, ist das Denken in großen Kategorien, in zeitlichen wie in gesellschaftlichen. Beispielsweise das Nachdenken über die letzten Monate oder vielleicht sogar Jahre. In einem einzigen Moment versucht man dann Entwicklungen, die langsam entstanden oder gar widersprüchlich sind, und Erfahrungen, die vielleicht noch nicht einmal verarbeitet sind, auf eine große gesamtbiographische Linie zu bringen und ordentlich im Regal der eigenen Selbstwerdung einzusortieren. Zu dieser absurd großen zeitlichen Perspektive, die alle Schattierungen und alle Zwischentöne des Moments übergeht, kommen in diesem Prozess allerdings noch die großen Kategorien der Gesellschaft: Glück im Privaten, Selbstverwirklichung in der Arbeit, am besten: Erfolg überall, Scheitern nirgends. Wenn man diese beiden übergroßen Maßstäbe an sein eigenes Leben anlegt, wird man sich wohl kaum als glücklich sehen. Sicher, es wird einige wirklich Glückliche geben, aber die Mehrheit erstickt an diesen selbsterschaffenen Maßstäben. Das Glück liegt vielmehr im Kleinen, in den einzelnen Momenten – im Werden und nicht im (Gewesen-)Sein.
Allerdings bin ich mir, jetzt während des Schreibens, gar nicht mehr sicher, ob ich hier nicht auch zwei verschiedene Glücksvorstellungen gegeneinander ausspiele: Das Glück des Augenblicks und die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Es könnte sein, dass beide ganz verschiedenen Logiken folgen und unterschiedliche Erzählmuster besitzen. Das eine ist die Fähigkeit, Momente zu genießen, das andere die Fähigkeit, sich eine Biographie und ein Ich zu erschaffen. Sie schließen einander nicht aus, manchmal bedingen sie einander sogar.
Vielleicht sollte ich ja gerade daran, dass mir die große Konstruktion und ihre gesellschaftlichen Kategorien noch sehr fremd sind, erkennen, dass ich von dieser zweiten Glücksvorstellung noch weit entfernt bin. Möglicherweise benötigt dieser Blick auf das eigene Leben ja auch Fähigkeiten, die sich erst im höheren Alter ausbilden. Vielleicht ist es noch zu früh für eine solche Gesamtschau.
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