Neue Techniken führen zu neuen sozialen Verhaltensweisen. Sie lösen dabei alte Probleme und schaffen gleichzeitig neue. Das Handy beispielsweise hat viele neue Fragen des sozialen Verhaltens aufgeworfen. Ein iKnigge wurde aber noch nicht geschrieben (eigentlich ein Wunder, dass das noch niemand geschrieben hat).
Eine wichtige Frage, die in diesem iKnigge geklärt werden müsste, wäre in meinen Augen die Frage der Meldemoral. Wie reagiere ich auf verpasste Anrufe? Momentan sehe ich zwei Extremtypen, die wahrscheinlich die Enden einer Skala darstellen: Auf der einen Seite steht der Immer-Zurückrufer. Sobald man ihn einmal anklingelt, ruft er so schnell wie möglich zurück. Auf der anderen Seite steht der Nie-Zurückrufer. Egal, wie oft man ihn anruft, er ruft nie zurück. Ihn kann man nur erreichen, wenn er gerade Zeit hat und wirklich ans Handy geht.
Beide Positionen sind in sich schlüssig – vielleicht könnte man sogar eine Menschen-Typologie daraus entwickeln (mach ich an dieser Stelle aber nicht). Aus Sicht des Nie-Zurückrufers ist es so, dass der Andere doch etwas von einem will – also soll er sich auch melden. Der Immer-Zurückrufer weiß dagegen, dass der andere den Kontakt gesucht hat, warum sollte man ihn nicht zurückrufen und den Kontaktaufnahmeversuch auf diese Weise honorieren.
Möglicherweise hängen die verschiedenen Arten der Meldemoral auch damit zusammen, dass das Handy-Telefonat eine merkwürdige Zwitterstellung in der modernen Kommunkation einnimmt: Wenn der Kontakt zustande kommt, ist es eine sehr private und intime Form der Kommunation, aber wenn man denjenigen nicht erreicht, ist es die inhaltsleereste Art der Kommunikation. Wer eine SMS oder eine E-Mail bekommt, weiß zumindest, worum es inhaltlich geht. Beim verpassten Anruf kann es alles Mögliche sein. Das führt bei vielen dazu, dass sie erst dann zurückzurufen, wenn auch wirklich Zeit für einen Umgang mit dieser inhaltlichen Offenheit ist. Und das kann dauern oder auch vergessen werden. Eine Regel, die man bei verpassten Anrufen aufstellen kann, lautet: Je mehr der Angerufene zu tun hat, desto schlechter wird die Meldemoral.
Neben diesem Zeitfaktor gibt es aber auch Statusunterschiede: Die Personen, die einem am engsten verbunden sind, werden am ehesten zurückgerufen – selbst die Nie-Zurückrufer haben sicherlich solche Personen. Aufgrund dieses Zusammenhangs versuchen viele Menschen auch ihren persönlichen Status beim Anderen anhand der Dauer bis zu einer Rückmeldung abzulesen. Dabei sollte man jedoch vorsichtig sein, wenn man die anderen bisher genannten Faktoren berücksichtigt. Es dauert oftmals lange, bis man herausgefunden hat, welcher Kommunikationstyp der Gegenüber ist und welche zeitlichen Ressourcen er gerade hat.
Aber immerhin kann aus diesen Faktoren eine allgemeine Formel zur Berechnung der Rückmeldedauer aufgestellt werden:
Dauer der Rückmeldung = Meldetyp + Zeitfaktor – Persönlicher Status.
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