Mit dem Alter wird man tatsächlich milder. Früher hätte ich einen übertrieben polarisierenden Schmähartikel über den gerade gehypten Jan Böhmermann geschrieben. Es wäre ein einseitiger Verriss geworden, eben weil er gerade gehypt wird. Heute erkenne ich seine Schwächen und denke mir: „Einige Sachen sind ja auch gut…“ Die Kritik muss aber dennoch, ungeachtet ihrer fehlenden Einseitigkeit, noch raus – immerhin bin ich mir da treu geblieben:
Ich war wirklich verwundert, wie ungelenk Jan Böhmermann moderiert. Vielleicht hatte er nur zwei schlechte Sendungen, vielleicht zu Hause Probleme (ah, diese schreckliche Milde!), aber es wirkt alles sehr künstlich: Die Ankündigung der Gäste, die Standup-Einstiegswitze, die Interviews mit den Gästen. Jan Böhmermann fehlen scheinbar für seine Gäste die sozialen und für die Comedy die mimischen und gestischen Fähigkeiten. Bei den Witzen kommt erstaunlicherweise die fehlende Abgeklärtheit hinzu, einen Witz einfach mal stehen zu lassen. Man merkt es Böhmermann an: Er steht oder sitzt dann feixend da und freut sich insgeheim an dem gelungenen Wortwitz. Da fehlt ihm zur nötigen Souveränität vielleicht sogar Selbstironie und -distanz.
Schlimmer als die Witzeinlagen sind aber die „Gespräche“ mit den Gästen. Sie sind eine Qual: Es wird willkürlich ein spezieller Punkt aus dem Leben des Gastes herausgegriffen und zwei ebenso willkürliche Fragen dazu gestellt. Das Problem ist: Man weiß eigentlich nicht, wofür die Gäste da sind. Jeder Gast hat ja eigentlich ein Thema an sich kleben – etwas, für das er oder sie steht. Dazu müsste man gezielt Fragen (und Nachfragen) stellen, dann könnte das ein Gespräch werden.
Stattdessen merkt man, dass Böhmermann vorbereitete Fragen – unabhängig von den Antworten der Gäste – abarbeitet. Es gibt halt vorbereitete Witzhaltestellen, die müssen angefahren werden. Es fehlt ihm scheinbar die Schlagfertigkeit. Wer den Kontrast spüren will, dem empfehle ich, sich einmal ein Gespräch von Erwin Pelzig anzuschauen: Er hat auch vorbereitete Witze, ist aber zugleich auch schlagfertig im Gespräch, er kann sich auf seine Gäste einlassen und ist immer gut vorbereitet. Vielleicht war Böhmermann ja in den beiden Sendungen ausnahmsweise schlecht vorbereitet, vielleicht ist das halbstündige Format auch zu kurz für Gespräche und Witze, aber ein so wirres und langweiliges Gespräch mit einem so geeigneten Gast wie Oliver Kalkofe zu führen, ist eine Kunst.
Ohne Zweifel: Die Ideen und Wortwitze sind in der Show da. Es sind jedoch Ideen und Wortwitze, die auch auf Studentenparties spätnachts im Suff entstehen könnten. Der einzige Unterschied: Niemand auf der Party hat das ZDF im Hintergrund, das erlaubt diese Ideen tatsächlich umzusetzen.
Eine Schlacht mit Laugenbrötchen unter dem Motto „Der Laugendetektor“ zu machen, ist genauso eine Idee. Sie wirkt auf den ersten Blick witzig, aber sie verliert eigentlich nur, wenn man sie wirklich umsetzt. Besonders auch dann, wenn man dem Gast (Ina Müller) nur schlechte Fragen stellen kann, weil man mit ihr (aus den genannten Gründen) nicht warm werden konnte, sondern sie nur auf eine Witzbusreise durch den eigenen, achso lustigen Kosmos mitgenommen hat.
(Bild: Screenshot Neo Magazin Royale)
Ich denke diese ganze Flachheit, diese Trivialitäten die diese neuen Medien à la Twitter und Facebook ergiebig abfeiern, verweist auf den Charakter der ganzen Veranstaltung, und das Fernsehen mit diesen Figuren muss gezwungenermaßen mitziehen.
Was es zu sagen gibt ist nichts…und dieses Nichts wird bei den Hedonisten zum Inhalt, und selbst das sind bestenfalls Fetzen von Inhalt, dessen Ziel es ist „fertige Cliches, beliebig hier und dort zu verwenden, und allemal völlig definiert durch den Zweck, der ihnen im Schema zufällt. Es zu bestätigen, indem sie es zusammensetzen, ist ihr ganzes Leben [das der Kulturproduzenten]“, somit „bleibt die Kulturindustrie der Amüsierbetrieb“ und deren „Verfügung über die Konsumenten ist durchs Amusement vermittelt“ (Dialektik der Aufklärung).
Hier zeigt sich auch schön, dass wie du schreibst „nur noch leere Plattitüden sicher als Beiträge eingebracht werden“ (Wer A sagt, der sagt auch F), dass ein Diskurs in einer derartigen Umgebung verkrüppelt und nahezu verunmöglicht wird nicht etwa kritisch aufgearbeitet sondern vollends affirmiert, denn der Laden muss ja irgendwie weiterlaufen…
PS: nettes Blog, dein Feed ist abonniert…bis die Tage…
Volle Zustimmung!
Interessant ist auch wie sehr Herr Böhmermann den Drang hat sich dauernd „nach unten“ abzugrenzen. Dauernd weiß er, wer alles ein Idiot und Kleinbürger ist. Dabei steht er eigentlich gar nicht wirklich über diesen Leuten. Während ein Harald Schmidt zwischen „Dieter Bohlen bricht sich den Pimmel“ und Bach oszillierte, ist Böhmermann eher immer nur „Dieter Bohlen bricht sich den Pimmel“ – und das nicht mal auf einer Metaebene. Ist das wirklich geistreicher als Gangsterrap und Youtube-Videos?
Dem gescholtenen Youtube-„Liont“ zB würde man immerhin zutrauen, dass er vorgeschriebene Stand Up-Witze lockerer aufsagen könnte.