Warum ist das Verhalten der neuen amerikanischen Regierung unter Donald Trump eigentlich so schwer zu verstehen? Weil die Medien zu sehr auf die Person Trump fixiert sind! Neulich hatte ich bereits über das mediale Ausblenden der Interessen anderer Länder geschrieben. Ich muss dies an dieser Stelle erweitern: Es gibt nicht nur andere Länder mit anderen Interessen, sondern – und jetzt wird es richtig kompliziert – es gibt in diesen Ländern auch Fraktionen und Parteien, die unterschiedliche Interessen verfolgen. Das klingt banal, aber viele Medien scheinen dies insbesondere in ihrer Auslandsberichterstattung zu vergessen.
In den USA findet gerade ein Machtkampf statt. Trump war mit vielen Forderungen angetreten, die diametral zu Teilen der konservativen Elite lagen. Viele seiner politischen Vorstellungen werden nun kassiert, er wird „eingenordet“. Ein solcher Prozess, der zudem vor einer medialen Öffentlichkeit ausgetragen wird, kann nicht frei von Widersprüchen bleiben. Wenn man jedoch nur auf die Person Trump fixiert ist und ihn in der medialen Erzählung als unberechenbaren Charakter etabliert hat, kann man den größeren Prozess hinter diesen offensichtlichen Widersprüchen nicht erkennen und wird alle Widersprüche dem Trumpschen Charakter zuschreiben.
Aber die amerikanische Regierung ist nicht nur Trump. Genausowenig wie Putin für Russland oder Erdogan für die Türkei steht. Aber für die Medien ist es scheinbar einfacher anhand von Personen zu erzählen: Daher geht es auf den Treffen von Staatschefs eben um persönliche Stimmungen, um ausgebliebene Fotos oder unfreundliches Händeschütteln, statt um offensichtliche Interessengegensätze oder dahinterliegende, innenpolitische Machtkämpfe.
In Deutschland funktioniert die personenorientierte Berichterstattung vieler Medien noch, da viele Personen als Sprecher von bestimmten Positionen etabliert sind: Horst Seehofer steht für eine klare Abschiebepolitik, de Maiziere für die knallharte Innenpolitik, Martin Schulz für neuen Wind in der SPD, Angela Merkel für einen freundlichen Umgang mit Flüchtlingen (auch wenn ihre Koalition das genaue Gegenteil beschließt). In der Berichterstattung über die deutsche Politik ist ein breites Personentableau etabliert, da die Medien dem Publikum ein vitales Interesse an deren Positionen unterstellen können.
Es ist unwahrscheinlich, soviel lässt sich wohl an dieser Stelle behaupten, dass es ein solches Personentableau nicht auch in anderen Ländern gibt. Nur fällt es den Medien schwer, in ihrer Berichterstattungsroutine (also jenseits von investigativer Recherche) darüber zu berichten – auch da man ein geringeres Interesse des Publikums an der Innenpolitik anderer Länder unterstellen kann. Der Mangel an etablierten Personen und damit verbundenen Positionen fällt solange nicht auf, wie die Politik des Landes im Rahmen der eigenen medialen Erzählung interpretiert werden kann. Wenn es eben feststeht, dass Russland eine auf Bedrohung und Einverleibung ausgerichtete Diktatur ist, dann reicht es eben auch aus, dies an einer einzelnen Person wie Putin festzumachen. Mehr Personen und Positionen der russischen Politik braucht man nicht – nur noch die aufrechte, gegen ihn (!) kämpfende Opposition. Es gibt sogar bedeutende Länder, da ist noch nicht einmal das Staatsoberhaupt in den deutschen Medien als Person etabliert, z.B. China. Oder würde jemand behaupten, dass Xi Jinping für China steht?
Dies soll jedoch kein Plädoyer für ein erweitertes Personentableau in der außenpolitischen Berichterstattung sein. Häufig verdeckt nämlich die personenfixierte Berichterstattung die eigentlichen dahinterliegenden Interessenkonflikte. Es wäre beispielsweise wenig sinnvoll, wenn nun neben Donald Trump auch noch John McCain in die deutsche Medienerzählung eingeführt wird, der als wichtiger republikanischer Senator für einen wesentlich härteren Umgang mit Russland steht. Dann hätte man nur wieder die Erzählung eines Kampfes von zwei Personen um die Macht. Wichtig wäre es vielmehr, die Lager und ihre dahinterstehenden Interessen zu beschreiben.
Was ist das Problem der USA im Umgang mit Russland? Wer profitiert davon, wenn Russland als Bedrohung dargestellt wird (doch nicht etwa die amerikanische Rüstungsindustrie)? Braucht man Russland auch als Bedrohung um die europäischen Länder als Verteidigungsbündnis an Amerika zu binden und damit Einfluss auf die Politik der Europäer zu haben? Jedoch kann es auch andere Positionen innerhalb der amerikanischen Regierung geben, die sich vielleicht folgende Fragen stellen: Wenn Russland weiter der Feind bleibt, wird es sich dann China zuwenden? Wäre es nicht sinnvoller, diese Allianz zu verhindern, wenn man China als aufstrebende Weltmacht wahrnimmt?
Solche Fragen könnte man in den Medien stellen und so versuchen, die hinter den Personen liegenden Interessen aufzudecken. Der Nachteil wäre: Dann wäre die Berichterstattung über die tagesaktuelle Politik, über die nächste durchs Dorf getriebene Sau allerdings nicht mehr so interessant und spannend.
(Bild: Official White House Photo by Joyce N. Boghosian)
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