Es gibt Menschen, die glauben daran, dass die Erkenntnis wie eine Treppe sei: Je höher man auf der Treppe steigt, desto besser erkennt man die Welt, desto näher ist man der Erleuchtung. Mit jeder Treppenstufe erreicht man einen neuen Zustand – eine höhere Stufe der Erkenntnis. Die Stufen der Unwissenheit und der Naivität lässt man hinter sich zurück.
Ich glaube nicht an diese Vorstellung des finalen Erreichens neuer Stufen und des endgültigen Zurücklassens von alten Irrtümern. Ich glaube, dass es neben den tagesaktuellen Themen auch Lebensthemen gibt – also Themen, die einen ein Leben lang begleiten. Manchmal findet man einen Umgang mit diesen Themen und glaubt vielleicht sogar, die dahinterliegende Frage nun endgültig beantwortet zu haben. Das ist der Moment, in dem man auch gern an die Treppe der Erkenntnis glaubt – weil man nun eine neue Stufe erreicht hat.
Aber um einmal eine alte Fußballweisheit zu adaptieren: Nach der Erkenntnis ist vor der Erkenntnis! Lebensthemen verschwinden nicht einfach, nur weil man gerade einmal einen Umgang mit ihnen gefunden hat. Sie verkleiden sich immer wieder neu und nutzen dazu geschickt die Stoffe der Gegenwart. Und vielleicht ist es gerade der Glaube, sie endgültig überwunden zu haben, der ihre neue Camouflage begünstigt. Und dann steht man eines Tages wieder verzweifelt vor einem aktuellen Thema und stellt entsetzt fest, dass je mehr man das Aktuelle davon abträgt, umso mehr das darunter liegende Lebensthema zum Vorschein kommt.
Daher ist die Erkenntnis vielleicht eher wie eine der endlosen Treppen in einem Gemälde von M.C. Escher: Man hat nur die Illusion, dass man immer höher steigt. Man ist wie Sisyphos – also, frei nach Camus, ein glücklicher Mensch!
Bild: M.C. Escher
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