Bei den meisten Filmen entscheidet sich bereits in den ersten zwei Szenen, ob man sich in ihren Bann ziehen lassen wird. Wenn man dann außen vorbleibt, weil man beispielsweise die Hauptfigur unsympathsich oder unglaubwürdig findet, kann der Film einen nur noch durch ganz starke spätere Szenen in Bann ziehen. Ansonsten sieht man den Film nur noch in seinen Bauplänen, in dem, was er konstruieren möchte: Man steht also nicht leibhaftig in dem gefilmten Haus, lebt in den Akteuren auf, sondern schaut an einem unbequemen Schreibtisch sitzend auf die theoretischen Baupläne für das Haus und auf das ganze Möchtegern-Leben, was nach dem Willen des Regisseurs dort stattfinden soll.
So erging es mir nun bei einem weiteren Film (nach Once, der Pianist, Indiana Jones): Soul Kitchen von Fatih Akin. Wenn ich den Film in einem Wort zusammenfassen sollte, wäre es „überflüssig“. Was für mich den Unterschied zu einem „unterhaltsamen“ Film, der ja auch in einem gewissen Sinne überflüssig sein kann, ausmacht, ist die Künstlichkeit. Auf mich wirkte das alles so gewollt und überdreht. Es war zu viel. Der Film will gefallen, der Film will übertreiben und das merkt man zu seinem Nachteil zu deutlich. Das wollen wahrscheinlich viele Filme, aber da ich außen vor war, spürte ich das hier umso stärker. Außerdem ist der Film mit brutaler Offenheit auf Slapstick angelegt, leider auf ganz schlechten. Es war mir fast schon peinlich, dass der Film die Rückenschmerzen des Hauptakteurs als wesentlichen Running Gag zelebrierte.
Aber scheinbar trifft er den Humor einiger Leute. Im Kino haben viele gelacht. Ich würde sagen der Film ist für Mittdreißiger bis Mittvierziger, tendenziell Westdeutsche ausgelegt. Kurzum: Der perfekte Kinokritiker-Film. Auch wenn ihm dieses Milieu, was dort dargestellt werden soll, fremd ist, wird er sich irgendwie angesprochen fühlen und aus dem Film das enorm kritische Potential herausarbeiten: Hier heißt es Verlust der Eigenart, Beschwörung des Magischen sowie der herzlose Umbau unserer Städte. Das ist natürlich eigentlich gar nicht drin – in irgendeiner Zeit muss der Film ja spielen und eine gewisse Geschichte muss neben all den schwachen Pointen ja auch haben. Das Problem des Films ist, dass er versucht ein Milieu wiederzugeben, aber das zugleich mit so überzeichneten Charakteren versucht, dass von dem Realen nichts mehr übrigbleibt. Alle Charaktere waren in meinen Augen nur Karikaturen und nicht wie es der Film wohl gerne hätte: Liebenswürdige Freaks, die in ihrer eigenen Welt leben. Wahrscheinlich war es aber im Wesentlichen der Hauptdarsteller, der seine Rolle für mich nicht rübergebracht hat. Er wurde aber als Person auch nicht wirklich vorgestellt, in all seinen Schrullen, in all seinen Macken. Er stolpert nur von einer (gewollt) absurden Szene zur nächsten. Man spürt oft, wie ihm das Drehbuch im Nacken sitzt, auf dass er ja nicht schauspielern kann, sondern nur den tollen Einfällen des Autors nachlaufen muss und in einer elendigen Passivität zuschauen kann, wie sein Leben von diesem (bewusst) zerstört wird. Eigentlich finde ich es ja sogar schade, dass er durch den ganzen Film gehetzt wird, ohne dass ich ihn vorher als Person kennenlernen durfte.
Wahrscheinlich sind meine Ansprüche an einen deutschen Film, der eine Komödie sein will, auch zu hoch. Aber da der Film mich überhaupt nicht in seinen Bann gezogen hat, lautet mein abschließendes Fazit: Arg bemüht bis überflüssig.
Ich habe nun auch endlich eine Kritik gefunden, die den Film so zerreißt, wie ich es angemessen finde: Beim Perlentaucher. Hier nur das Finale des Verisses:
Der Leitsatz der „Soul Kitchen“-Dramaturgie lautet offenkundig: „Wann immer die Geschichte ins Stocken gerät, werfe ich eben alles wieder über den Haufen.“ Nichts folgt aus etwas, alles, die Schauplätze, die Stereotypen und was sie tun: reine Willkür. Was in Komödien ja ein Ding der Möglichkeit ist, wenn sie diese Willkür zugleich reflektieren beziehungsweise um die Künstlichkeit ihres Erzählens sichtlich wissen. Bei Akin aber wird nie und nimmer etwas reflektiert und/oder sichtlich gewusst. […] So schubst er und schiebt er seine Figuren ohne Hintersinn, ohne doppelten Boden, ohne eine Spur von Finesse über den kaum bespielbaren Acker, den dieses Drehbuch darstellt. […] Der Zwischenton ist Fatih Akins Sache nicht. Was nicht so schlimm wäre, träfe er überhaupt je einen Ton. Er spielt seine Geschichte aber wie ein Tauber auf total verstimmtem Klavier, wenn auch, was es nicht besser macht, mit viel Enthusiasmus, heftig und laut. Er hat sichtlich großen Spaß dabei, was nichts daran ändert, dass man es als Zuschauer schnell nur noch schwer erträgt. [….] In „Soul Kitchen“ jedoch marodiert er mit dem Feingefühl eines Nilpferds durch eine Geschichte, deren behauptete Bauchgefühle reine Kopfgeburt bleiben.
Ach schön! So ein ordentlicher Verriss eines beschissenen Films.
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