Jeder Mensch ist anders – das sagt sich leicht. Im Alltag tendiert man – wohl halb aus Selbstüberschätzung, halb aus Faulheit – eher dazu, in anderen Menschen doch einfach nur Kopien von sich selbst zu sehen. Mühsam muss man sich dann – besonders bei Konflikten – die Möglichkeit der Differenz in Erinnerung rufen.
Dabei gibt es eigentlich einen glasklaren Indikator von Differenz: Die Relativität des Warmduschens! Es ist individuell so verschieden, unter welchen Temperaturen sich Menschen unter einer Dusche wohlfühlen, ja welche Hitze einige Körper aushalten. Wer dieses simple Beispiel einmal verinnerlicht und dann verallgemeinert hat, wird nie mehr in den narzisstischen Urzustand zurückfallen. Immer wenn Menschen andere Dinge sehen, immer wenn sie Dinge sagen, die man nicht versteht, immer wenn sie scheinbar Streit suchen, immer dann kann man an die Dusche denken und sich vorstellen, wie heiß oder kalt dieser Mensch wohl duschen wird.
Notfalls kann man auch, falls dieser Differenz-Indikator zu intim sein sollte, auf die „Relativität der 100 km/h“ zurückgreifen: Wer jemals auf einer Landstraße hinter einem Rentner hergefahren ist, weiß, wie unterschiedlich das Tempolimit ausgelegt werden kann! Denn genau wie die Unterschiedlichkeit des körperlichen Wärmeempfindens unter der Dusche sichtbar wird, wird dort die Differenz des Sicherheitsempfindens beim Autofahren deutlich. Der Rentner fühlt sich eben bei 80 km/h sicher.
Wenn man beide Indikatoren allerdings gegenüberstellt, werden schnell auch die Grenzen des Verständnisses für Andersartigkeit deutlich: Im Straßenverkehr wird man durch das Sicherheitsgefühl von Menschen ausgebremst, deren Wärmeempfinden unter Duschen man glücklicherweise nie kennenlernen wird.
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