Am Donnerstag führte ich – ohne es zu ahnen – Interviews mit zwei Intimfeinden. Zunächst mit Manfred Erhardt, einem Studiengebührenbefürworter par excellence. Es war ein sehr angenehmes Gespräch. Ich ließ zunächst all die Pro-Studiengebühren-Argumente, die wohl in seinem Kopf mit dem Thema verknüpft sind, unwidersprochen herausfließen. Dann konnten wir uns unterhalten. Er bestätigte alle meine Thesen. Er hatte auch die beruhigende Position inne, mir als Sieger die Geschichte diktieren zu können.
Das war bei Edelgard Bulmahn ganz anders. Sie hatte als Bildungsministerin wohl eine der schwersten Zeiten ihres Lebens. Ich war gespannt, wie sie mit dieser Phase umzugehen gelernt hatte. Im Politikgeschäft darf man ja eine gewisse Professionalität auch jenseits der privaten Niederlagen erwarten. Da wir zudem auf derselben (ablehnenden) Seite standen, konnte es eigentlich nur ein gutes Gespräch werden. Aber ich irrte. Es wurde ein Kampf, eine Schlacht um Worte.
Am Anfang des Gesprächs blickte sie immer wieder auf ihre Zettel und dozierte leicht abwesend von damals. Ihre Stimme klang kalt und verbittert. Meine Nachfragen verneinte sie kategorisch (”Nein, so war das nicht/Das stimmt nicht/Das ist falsch”) und stellte grundsätzlich mein medial gesammeltes Wissen als realitätsfern und mich damit als absolut unwissend dar. Dabei ging es meist nur um feine Nuancen, aber für sie war ich wohl ein Journalist, ein Vertreter der Journaille, der, wenn sie ihm nicht jedes Wort fein säuberlich ins Ohr tröpfelte, ihr die Worte noch im Mund – oder spätestens im Artikel – verdrehte.
So verunsichert senkten sich meine Erwartungen an das Gespräch stetig. Ich hatte nicht erwartet, dass mein Interview ein eigenes Schlachtfeld in ihrem persönlichen Medienkrieg darstellen würde. Sie musste beweisen, dass die Medien und die Wirtschaft daran schuld waren (was sicherlich auch stimmt) – sie musste sich beweisen. Und so entblößte sie alle meine Thesen als zu oberflächlich oder zu realitätsfern: Dass Politiker lange Zeit das Protestpotential und das Wählerpotential der Studenten fürchteten oder dass die Eigenbeteiligung der Studenten im Zuge eines gesamtgesellschaftlichen Eigenbeteiligungsdiskurses (Gesundheit, Rente) leichter durchzusetzen war.
Gegen Ende des Gespräches wurde sie jedoch etwas zugänglicher, sie lachte sogar einmal. Sie achtete nicht mehr auf jedes ihrer und meiner Worte und so entwickelte sich fast ein Gespräch. Interessant blieb aber, dass sie immer wieder die Realität gegen deren medial vermittelte Konstruktion ausspielte. Aber zu dieser (künstlichen) Unterscheidung werde ich in einem späteren Eintrag noch mehr schreiben.
Insgesamt war ich vor den Gesprächen zu naiv gewesen. Ich hatte geglaubt, die Waffen und Grenzziehungen von damals seien nun (zumindest teilweise) ad acta gelegt worden und die Politiker könnten frei von innerparteilichen Barrieren argumentieren. Dass aber allein mein Interview dazu führt, die Waffenschränke wieder zu öffnen und mit dem argumentativen Arsenal auch auf mich zu schießen, hätte ich nicht erwartet. Wie gesagt: Ich war naiv.