Was ist das? Warum können manche Menschen einfach nicht klar sagen, was sie wollen und was nicht? Sind wir in China?
Ich rufe bei einem Anwalt an, um für einen Artikel zu recherchieren. Beim ersten Mal sagt die Sekretärin, er telefoniere gerade ich solle später noch einmal anrufen. Beim zweiten Mal, fragt sie, was mein Anliegen sei. Ich erläutere es. Sie sagt, sie werde ihn fragen. Das macht sie. Ich bleibe in der Leitung. Sie meldet sich wieder und – welch Wunder – er telefoniert gerade. Aber er würde mich zurückrufen. Darauf will ich mich nicht einlassen. Ich rufe nochmal an. Beim dritten Mal … telefoniert er wieder. Beim vierten Mal auch. Sie fragt nach meiner Nummer und sagt, er rufe mich zurück. Und dann passiert es, ganz am Ende ihrer Verabschiedung kommt ihre wahre Meinung durch: Sie verabschiedet sich in einem Ton, der zugleich ihre Indifferenz und auch ihre Verabscheuung mir gegenüber ausdrückt. Es ist ein professioneller Ton, der mir sagt: “Er wird sich nie melden, wie können sie nur daran glauben, sie armer Trottel.”
Warum also sagt diese Frau nicht einfach: “Er interessiert sich nicht für ihr Anliegen. Er kann ihnen nicht helfen. Er will ihnen auch nicht helfen.” Warum soll ich dort immer wieder anrufen? Warum kann sie mir und ihr durch Klarheit nicht eine Menge Zeit sparen? Warum dieses Versteckspiel?
Das Gleiche bei einem anderen Interviewpartner: Dessen Büroleiter speist mich immer wieder ab, indem er sagt, die Sekretärin würde mich anrufen. Wozu diese Lüge? Sie ruft natürlich nicht an. Dabei hat sein Chef schon zugesagt, das Interview zu machen. Was ist das für ein Höflichkeitsgedusel, soll ich da eingewickelt werden, bis ich mich irgendwann nicht mehr melde?
m?ssen denn diese Klischee-Nationenvergleiche immer sein *genervtmitaugenroll*? Deine Message kommt doch auch ohne Hinweis auf einen vermeintlichen chinesischen Habitus aus *altklugdenmundverziehundwimpernklimpern*. W?nsche dir ebenfalls so viel Spa? mit deiner Magisterarbeit!
Ich habe es auch schon erlebt, dass Chinesen sehr schwer sagen k?nnen, was sie NICHT wollen. Lieber sagen sie erstmal „ja“, um dann sp?ter doch ihr eigenes zu machen. Das wurde mir auch schon unabh?ngig von zwei anderen Freunden erz?hlt. Sicherlich werden das nicht alle Chinesen sein, vielleicht ist es auch nur eine Marotte der Jenaer Chinesen. M?glich.
Aber nur um mal den Laiensoziologen raush?ngen zu lassen: Stereotypen haben auch eine Funktion und sie geh?ren doch zu Gespr?chen dazu. Sind sie so schlecht, dass man sie verbieten sollte? Immerhin, ein Bewusstsein daf?r kann sicherlich nicht schaden.
„Was ist das f?r ein H?flichkeitsgedusel, soll ich da eingewickelt werden, bis ich mich irgendwann nicht mehr melde?“
Ja, ganz genau so ist es. Wir leben in einer hochkomplexen Gesellschaft, in der es anerkannter ist, sich h?flich zu verhalten und jemandem durch die Blume zu sagen, was er wissen soll, aber man sagt es eben nicht direkt. Dieses Verhalten mit dem der Chinesen zu vergleichen ist gar nicht abwegig. In Asien geht es i m m e r darum, sein Gesicht nicht zu verlieren. Dieser Maxime wird jegliches (?ffentliches) Verhalten untergeordnet. In abgeschw?chter Form findet sich das auch in Europa – oder eben Deutschland – wieder: in den Situationen, die du beschrieben hast. Die Dynamik, die dahinter steht ist simpel: durch dieses Verhalten wirst weder Du durch eine direkte un deutliche Absage vor den Kopf gesto?en (es gitb DIR also die M?glichkeit, trotz Abweisung Dein Gesicht zu wahren) und auf der anderen Seite macht DERjenige es sich leichter, weil er sich die Schwieigkeit/ Peinlichkeit (?) erspart, Dir die Absage direkt ins Gesicht sagen zu m?ssen. Solche komplexen Handlungsnormen sind ein Zeichen hoch entwickelter Gesellschaften.
Glaube mir, mich hat solches Verhalten lange Zeit sehr w?tend gemacht (und im Privaten ?rgert es mich noch heute). Im Business/ Job/ Beruf ist es aber an der Tagesordnung.